Bündnis 90/Die GRÜNEN

in der Grafschaft Bentheim

GRÜNE Grafschaft Bentheim

Fraktionsvorsitzende Claudia Middelberg zum Kreishaushalt

Rede am 25.02.2021

27.02.21 –

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrter Herr Landrat, liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Haushalt für das Jahr 2021 ist geschrieben, wir haben viele Stunden diskutiert – online und in Präsenz - und werden heute darüber abstimmen.

An dieser Stelle geht auch unser Dank an die gesamte Verwaltung und besonders an die Finanzabteilung, an Herrn Wilbers, Frau Voß und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die immer den Überblick behalten und uns keine Antwort schuldig geblieben sind. Für Sie wie für uns alle ist das Jahr 2021 mit der Corona-Pandemie eine außergewöhnliche Herausforderung.

Und trotz aller Einschränkungen und Schwierigkeiten können wir doch die geplanten Investitionen fortschreiben, bzw. in die Tat umsetzen mit einem überschaubaren Defizit. Ich werde die von den Vorrednern aufgezählten Investitionen, die wir GRÜNE ebenfalls alle mittragen, jetzt nicht erneut aufzählen.

Die Setzung weniger, umso gewichtigerer Handlungsschwerpunkte in diesem Haushalt, auf die wir uns konzentrieren wollen, halten wir ausdrücklich für richtig.

„Nachhaltigen Umwelt- und Klimaschutz unterstützen und regional verwirklichen“ haben wir uns selbst als einen Handlungsschwerpunkt gesetzt: Wenn es uns nicht gelingt, diesen Schwerpunkt mit Leben, das heißt mit effektiven Maßnahmen zu füllen, werden alle anderen Handlungsschwerpunkte früher oder später überflüssig werden.

Zum wirksamen Klimaschutz gehören sowohl Forschung und Innovation - zum Beispiel im Bereich Wasserstoff und Regenerative Energien - als auch Suffizienz. Suffizienz im Sinne von Genügsamkeit. Wir müssen der Wahrheit ins Auge sehen: die Grenzen des Wachstums sind nicht unendlich weit ausdehnbar.

Auch wir in der Grafschaft stoßen an die Grenzen des Wachstums, zum Beispiel was den Grad an Bodenversiegelung angeht: die kreisangehörigen Gemeinden müssen sich von der Illusion verabschieden, immer mehr Wohngebiete ausweisen zu können und jeden Bedarf und jede Anfrage befriedigen zu wollen.

Auch bei der Ausweisung von Gewerbegebieten kann es kein ewiges Wachstum auf Kosten von Natur und Landschaft geben.

Dasselbe gilt für Branchen wie die intensive Landwirtschaft. Fehlentwicklungen durch jahrzehntelange falsche Anreiz- und Förderpolitik haben viele Höfe an den Rand des Ruins getrieben. Hier müssen vor allem auf höheren politischen Ebenen die Weichen neu gestellt werden, aber auch hier im Landkreis.

Eine weitere Branche, deren Ausweitung wir äußerst kritisch sehen ist die Erdölförderung in der Niedergrafschaft. Diese Branche hat uns in der Vergangenheit bis in die Gegenwart als Nebeneffekte regelmäßig Umweltschäden durch Lagerstättenwasseraustritte beschert. In der Erdölbranche gibt es Gewerbesteuer und Arbeitsplätze, aber zu welchem Preis für unsere Umwelt? Wie viele Jahre es in Emlichheim dauern wird, den größten Lagerstättenwasser-Schaden Niedersachsens seit Beginn der Erdölförderung zu beheben, kann immer noch niemand abschätzen. Einen Bohrloch-TÜV, der seit Jahren gefordert wird, damit so ein Drama nicht erneut auftreten kann, gibt es noch immer nicht. Dafür die Ankündigungen weiterer Bohrungen.

Nicht zeitgemäß in Zeiten des Klimawandels - aber auch nie zeitgemäß gewesen aus wirtschaftlichen Gründen - ist die Beteiligung am FMO. Etwa 100 Millionen Euro wurden seit 2015 von den Anteilseignern, also letztlich der öffentlichen Hand, in den Regionalflughafen gepumpt, damit er seinen Betrieb aufrecht halten konnte. Dazu sollen 30 Millionen Euro durch Corona bedingt in den Jahren 2021 bis 2023 kommen. Man sollte sich mal das Gedankenexperiment erlauben, was man mit 130 Millionen an sinnvoller und vor allem nachhaltiger Wirtschaftsförderung hätte betreiben können: Wasserstoff-Forschung, Solarparks, Windparks, ÖPNV – alles Branchen mit Zukunft um nur die naheliegendsten zu nennen. Die Befürworter werden immer wieder Gründe finden, warum es wieder mal mit dem FMO wirtschaftlich nicht geklappt hat: einmal ist es AirBerlin, einmal Germania, dieses und die nächsten drei Jahre Corona. Wir sind auch ohne den FMO schnell genug bei Flughäfen in Amsterdam oder Düsseldorf. Die Zeit der Regionalflughäfen war nie wirklich da, sie wird auch nie kommen. Das wollen leider zu viele noch nicht wahrhaben.

Von unseren Anträgen wurde zu unserer Freude der Einrichtung eines Unterstützungsfonds für Verhütungsmittel für Frauen in Notsituationen aufgenommen. Neben der finanziellen Notsituation wird hier besonders eine psychosoziale Notlage vorausgesetzt. Langfristige Empfängnisverhütung verhindert weitere hohe psychische Belastungen, ungewollte Schwangerschaften und Schwangerschaftskonflikte, die auch zu Schwangerschaftsabbrüchen führen können. Es geht uns nicht um eine Förderung der Beratungsstellen, sondern um ein Budget, das Notsituationen lindert.

Auch unser Prüfauftrag, in welcher Form eine finanzielle Förderung von Energie-Gemeinschaften (Energiespeicher) in der Grafschaft möglich sein kann, haben Verwaltung und Politik positiv aufgenommen. Danke dafür.

Das Thema Schulsozialarbeit ist in diesen Zeiten aktueller denn je. Dass die Corona-Situation besonders bei den Schülerinnen und Schülern psychische Folgen hinterlässt, ist inzwischen wissenschaftlich belegt. Das Land Niedersachsen lässt unsere Gymnasien in der Grafschaft seit Jahren im Regen stehen. Schon vor Corona haben wir deshalb schon jahrelang den Antrag auf Einstellung von Schulsozialarbeiter*innen auf kreiseigene Kosten für unsere kreiseigenen Gymnasien gestellt, solange das Land Niedersachsen sich seiner Pflicht entzieht. Der Kampf um die Zuständigkeiten wird auf dem Rücken der betroffenen Schüler*innen, Eltern und Lehrkräfte ausgetragen.

Das passt nicht zusammen mit unseren Handlungszielen: „Soziale und gesellschaftliche Teilhabe für alle fördern“ und „Lernen in allen Lebensphasen aktiv gestalten“.

Wer Geld genug hat, einen Regionalflughafen zu sponsern und Wirtschaftsfördertöpfe aufzulegen, der muss auch Geld locker machen für unsere Schulen, die in der psychosozialen Betreuung am Limit sind. Ein Lob vom Landrat an unsere tolle Grafschafter Jugend ist an dieser Stelle nicht genug!

In meinem Wortbeitrag haben die Kritikpunkte den größten Teil eingenommen. Das liegt in der Natur der Sache, wenn man später als Rednerin an der Reihe ist und die positiven, guten Nachrichten schon erwähnt wurden. Wichtige Projekte der Daseinsvorsorge können umgesetzt werden. Wir schätzen die bisherigen und hoffentlich auch weiteren Bemühungen für den Klimaschutz. Da das Positive unsere Kritikpunkte überwiegt, wird die Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN dem Haushalt 2021 insgesamt zustimmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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