Bündnis 90/Die GRÜNEN

in der Grafschaft Bentheim

GRÜNE Grafschaft Bentheim

Kreistagsbeschluss zur Eissporthalle

Claudia Middelberg als stv. Gruppenvorsitzende begründet den Kompromissvorschlag der Mehrheitsgruppe CDU-GRÜNE

09.07.22 –

Über die lebhafte und kontroverse Diskussion des Kreistags zur Eissporthalle am 7. Juli haben die GN bereits ausführlich berichtet. Die Kommentierung in den sozialen Medien überschlägt sich teilweise. Hier nun die Rede in ganzer Länge, in der Claudia Middelberg als stellvertretende Gruppenvorsitzende der Mehrheitsgruppe CDU-GRÜNE die Sachlage erläutert und den Kompromissvorschlag ausführlich begründet. Vielleicht trägt die Lektüre des Beitrags zur Versachlichung der Debatte bei:

Sehr geehrter Vorsitzender Mülstegen, sehr geehrter Landrat Fietzek, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren!

Im März 2021 hatte die Grafschafter Bevölkerung das erste Mal die Möglichkeit an einem Bürgerentscheid in der Grafschaft teilzunehmen.

Vor dem Bürgerentscheid hatte sich bekanntlich eine Bürgerinitiative aus den Reihen der Eissportvereine gebildet. Diese hatte für das Erreichen des Quorums (seinerzeit 8438 Stimmen) Unterschriften gesammelt, dabei die Mindestanzahl des Quorums sogar weit übertroffen und damit die Durchführung des Bürgerentscheides erreicht.

Die Frage des ersten Bürgerentscheids in der Grafschaft lautete:

„Sind Sie dafür, dass der Landkreis Grafschaft Bentheim die Eissporthalle in Nordhorn in der zurzeit bestehenden Größe schnellstmöglich saniert?

Im Raum standen damals geschätzte Sanierungskosten von ca. 6,5 Millionen Euro. Die Kosten spielten in der damaligen Diskussion fast keine Rolle. (Diese Kosten wurden seinerzeit von der BI übrigens als zu hoch erachtet.)

Der Bürgerentscheid im März 2021 hatte ein klares Ergebnis:

36.611 Ja-Stimmen und 12.715 Nein-Stimmen.

In allen Grafschafter Städten und Gemeinden hatte die Entscheidung PRO Sanierung eine klare Mehrheit gefunden.

Die höchste Wahlbeteiligung hatte die Sitzkommune Nordhorn mit fast 50% und davon 80% Zustimmung.

Alle Parteivertreter:innen sagten am Wahlabend, dass das Ergebnis zu akzeptieren ist, weil es einem Kreistagsbeschluss entspricht.

Eine klare Sache - sollte man denken. Doch dann holte uns die Realität an vielen Stellen ein und schaffte komplett neue Tatsachen.

Eine Sanierung in der zurzeit bestehenden Größe ist baurechtlich nicht möglich. Es bleiben drei baurechtlich mögliche Varianten, die alle drei NICHT dem Wortlaut des 1. BE entsprechen.

1.) eine Minimalvariante mit Investitionskosten von gut 11,84 Millionen Euro und der Reduzierung der Zuschauerkapazität auf etwa 1500,

2.) eine Gesamtsanierung mit Baukosten von etwa 15,72 Millionen Euro bei gleichbleibender Kapazität von etwa 2700 Zuschauern,

3.) ein Neubau mit Kosten von mehr als 17,80 Millionen Euro (inklusive Abriss) und einer Reduzierung auf wiederum etwa 1500 Zuschauer.

Politik hat nun mehrere Fragen zu klären:

1. Entspricht eine der drei Varianten noch der Fragestellung des Bürgerentscheids?

Schon bei der ersten Frage gehen die Meinungen auseinander. Die Kreisverwaltung hat sich mündlich nach der Rechtsauffassung des Innenministeriums erkundigt und zur Antwort bekommen, dass ein Ersatzbau an Stelle einer Sanierung als Erfüllung des BE ausgelegt werden könnte. Eine Garantie, dass eingehende Klagen dieser Rechtsaufassung standhalten, gibt es freilich nicht.

2. Wenn man zum Schluss kommt, die erste Frage zu bejahen, kommt die nächste Frage: welche der Varianten ist baurechtlich, baufachlich und energetisch die beste und bietet die größte Flexibilität für zukunftstaugliche Planungen?

Nach zahlreichen Sitzungen und Vorstellungen der umfangreichen Gutachten und Planungsstudien kommt nicht nur die Verwaltungsspitze, sondern auch unsere Gruppe CDU-GRÜNE zum Schluss: Lediglich der Neubau = Variante 3 kommt in Frage

Innerhalb des einen Jahres zwischen März 2021 und März 2022 ist aber noch mehr passiert:

Es haben sich politische Umwälzungen durch den Ukraine-Krieg ergeben, die zum Zeitpunkt des BE niemand geahnt hat. Wir sollen den Bau einer Eissporthalle beschließen im Angesicht von Krieg in der Ukraine mit explodierenden Energiekosten, Aufrufen zum Energiesparen, drohendem Energiemangel und im Angesicht der globalen Katastrophe des Klimawandels?!

Allein für den Bau haben sich die Kostenschätzungen für die Möglichkeit in der Grafschaft Eissport zu betreiben von geschätzten 6,5 Millionen auf 17,8 Millionen fast verdreifacht. Dass diese Schätzung gehalten werden kann, ist nicht gesichert.

Die Kreisverwaltung verweist auch auf den errechneten Energieverbrauch, der bei einem Neubau laut Studie zwar kleiner ausfällt, aber: Strom- und Wärmeverbrauch sowie Wasser/Abwasser summieren sich beim Neubau auf knapp 220.000 Euro pro Jahr. Bei den Sanierungsvarianten lägen sie mit 284.409 Euro pro Jahr bzw. 260.441 Euro pro Jahr sogar noch höher. Und niemand kann sagen, wie sich die Preise für Energie zum Winter hin entwickeln werden. Nur soviel ist sicher: Sie werden steigen.

Die Schlagzeile der GN auf der ersten Seite lautete heute: „Sorge vor anziehender Energie-Inflation“

Es wird in Erwägung gezogen, die Temperaturen in Schulen und öffentlichen Gebäuden abzusenken und die Straßenbeleuchtung zeitweise abzuschalten.

Wann wurden solche Diskussionen jemals geführt? – Zeitenwende…

Es gibt weitere ungeklärte Fragen wie zum Beispiel die zur Betreiberschaft, Eintrittsgeldern, Nutzerzahlen, Höhe der zukünftigen Defizite, Zuschüsse… Für all diese Fragen müssen in den kommenden Wochen und Monaten Antworten gefunden werden.

Zusammenfassend ist festzustellen: die Rahmenbedingungen haben sich gravierend geändert, was Kostenfragen, inhaltliche Umsetzungsmöglichkeiten und die gesamtgesellschaftliche politische, die energiepolitische und auch wirtschaftspolitische Lage betrifft.

Der Gesetzgeber hat im Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz ganz bewusst dem Kreistag als gewählter Volksvertretung die Möglichkeit gegeben, einen Bürgerentscheid durch Beschluss abzuändern oder gar aufzuheben innerhalb der ersten zwei Jahre nach dem Entscheid. Insbesondere dann, wenn sich die Rahmenbedingungen gravierend geändert haben.

Das wollen wir hier und heute dennoch nicht tun. Denn wir fühlen uns natürlich auch weiterhin dem Bürgerentscheid verpflichtet, der für uns ein hohes demokratisches Gut darstellt.

Für viele in unseren Reihen ist das tatsächlich ein großes Dilemma und zwar unabhängig von der Parteizugehörigkeit, weil die persönliche Überzeugung durchaus dem Ergebnis des 1. Bürgerentscheides entgegensteht.

Wir nehmen aber auch die vielen neuen Stimmen aus der Bevölkerung wahr. Diese fordern aufgrund der eklatant geänderten Bedingungen und Kostensteigerungen ein Überdenken der Entscheidung für den Eissport in diesen Zeiten hier in der Grafschaft.

Es ist auch die Pflicht der politisch Verantwortlichen auf neue Sachverhalte einzugehen und Entscheidungen gegebenenfalls zu überdenken. Das gilt für jede politische Entscheidung. So haben wir in der Vergangenheit auch schon Kreistagsbeschlüsse durch neue Beschlüsse abgeändert oder aufgehoben, weil sich die Rahmenbedingungen eklatant geändert hatten. Ich erinnere an das Thema Abfallwirtschaft/MBA.

Ein Bürgerentscheid wirkt wie ein Kreistagsbeschluss – auch ein Kreistagsbeschluss ist nicht unantastbar.

Soviel Ehrlichkeit gehört dazu und muss auch von allen Beteiligten hingenommen werden. Das ist auch Teil des demokratischen Prozesses.

Dennoch haben wir in der Gruppe uns einstimmig ohne Gegenstimme dazu entschieden, heute einen Kompromissvorschlag vorzulegen, der wie folgt lauten soll:

"Der Kreistag spricht sich aus baufachlichen Gründen für die Neubauvariante gemäß der Planungsstudie des Ing.-Büros Möller + Meyer, Gotha auf dem Grundstück am Sportpark 11, 48529 Nordhorn statt der Sanierung der vorhandenen Eissporthalle aus.

Dies geschieht in dem Wissen, dass auch die Neubauvariante nicht vollumfänglich dem Wortlaut des Beschlusstextes des Bürgerentscheids vom 21.03.2021 entspricht.

Sollte die Übereinstimmung des Neubaus mit dem Bürgerentscheid vom 21.03.2021 durch eine zulässige Klage angefochten werden oder sich erheblicher Widerstand gegen diese Entscheidung erheben, werden wir diesen Sachverhalt den Bürgern erneut in Form eines Bürgerentscheids zur Entscheidung vorlegen.

Als ein Beispiel für einen „erheblichen Widerstand" wird auch eine Bürgerpetition betrachtet, die mindestens das im NKomVG für Bürgerbegehren geforderte Quorum erreicht haben muss.

Sollte die laufende Bürgerpetition der Petentin Deters das Quorum von 1400 Unterschriften innerhalb von drei Monaten ab heute erreichen, wird sich der Kreistag erneut mit dem Thema Eissporthalle befassen und einen zweiten Bürgerentscheid auch auf Grundlage der dann möglicherweise neuen Datenlage ergebnisoffen prüfen."

Mit diesem Beschluss dokumentieren wir, dass wir beim Thema Eissporthalle weiterhin auf die Stimmen und das Votum aus der Bevölkerung eingehen wollen.

Wir wollen in den kommenden Wochen klären, ob der Neubau einer Eissporthalle in Nordhorn für mindestens rund 17,8 Millionen immer noch von der Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen wird.

Wenn das so ist und keine Klagen dazwischen kommen – werden wir – womöglich auch gegen die private Meinung einzelner Mitglieder unserer Gruppe – den Bürgerbeschluss umsetzen müssen.

Ich bitte Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, um Ihre Zustimmung zu unserem Vorschlag, der uns allen – Bürger:innen und Kreistag – in dramatischen Zeiten die Möglichkeit gibt, Entscheidungen neu zu überdenken, zu bestätigen oder aber auch zu verwerfen, wenn es für die Zukunft der Grafschaft besser ist.

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