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20.07.22 –
Wie wirken sich die Energiewende, Ressourcenknappheit und Preissteigerungen auf die Mobilität im ländlichen Raum aus?
Zu diesem Thema lud die Grüne Landtagskandidatin Theresa Sperling am 7.7.2022 in den Hof Veldink in Emlichheim ein. Das gut besuchte Podiumsgespräch mit geladenen Experten wurde von Holger Gosink moderiert.
Joachim Berends, Geschäftsführer der Bentheimer Eisenbahn, eröffnet die Runde und legt aus, dass der Ausbau der Bahnstrecke bis Emlichheim mit Personenverkehr bis Ende 2025 realisierbar sei. Es müsse aber mit Nachdruck daran gearbeitet werden, der Bund sei vorrangig am Zug. Um das Ziel zu erreichen, seien einige Verfahren zu beschleunigen, dafür müsse auch stellenweise in Vorleistung getreten werden.
Ein Planfeststellungsverfahren sei nötig, das dauere zwei Jahre. „Der grenzübergreifende Anschluss ist bis dahin allerdings noch mit mehr Hürden belastet“ fügt er hinzu.
Berends zeigt sich erfreut über hohe Fahrgastzahlen: “Vor Corona hatten wir 2000-2500 Fahrgäste an Freitagen, weitaus mehr als in denY Planungen angenommen. Mit dem 9-Euro-Ticket sind es freitags derzeit sogar 3000-3500. Unsere Kapazitäten reichen dafür aus. Günstige Preise, ein breites Angebot und Zuverlässigkeit, das lockt viele Menschen in den Zug. Um den Erfolg weiterzuführen, müsste es auch über den August hinaus Ticketvergünstigungen geben.“
Als Vorsitzender des ADFC der Grafschaft Bentheim legt Burkhard Werner die Belange der Radfahrer:innen aus: „Wir führen jedes zweite Jahr deutschlandweit Befragungen der Bürger:innen zum Radverkehr durch. Die Ergebnisse für die Grafschaft zeigen, dass das Interesse am Radfahren steigt. Bemängelt wird am häufigsten der schlechte und unsichere Zustand von Radwegen. Die Ansprüche an die Beschaffenheit von Radwegen steigen mit der zunehmenden Verbreitung der schnelleren E-Bikes. Zudem gibt es eine undeutliche und oft nicht rechtssichere Beschilderung von Radwegen. Häufig werden Bürger:innen durch Beschilderung zur Benutzung von „Radwegen“ gezwungen, die nicht als solche zu bezeichnen sind. Der Abbau von Vorschriftsschildern für Radfahrer:innen wäre ein Anfang. Gute Erfahrungen gibt es mit Fahrrad-Piktogrammen auf den Straßen wie in Nordhorn. Bis zu Radschnellstraßen und Fahrradstraßen ist es vielerorts noch ein weiter Weg, wobei deutlich wird, dass einige Kommunen hier fortschrittlicher handeln als andere. Positiv ist hier Nordhorn zu erwähnen.“
Erich Gülzow, Physiker und Sprecher des grünen Ortsverbandes Emlichheim hat viele Jahre in der Wasserstoffforschung gearbeitet und ist nun für das DLR an einem Windkanal als Forschungsleiter tätig.
Er äußert sich zu der Frage, ob Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor bis 2035 überhaupt eins zu eins gegen klimafreundliche Antriebsarten ausgetauscht werden können:
„E-Motoren sind für kleine PKW und besonders für kurze Strecken gut geeignet. Rohstoffe dafür sind vorhanden, auch wenn dafür die Komponenten der Batterien noch etwas verändert werden müssen. Anders sieht es für größere Fahrzeuge wie Sprinter, Transporter oder Lastwagen aus. Hier wären enorme Mengen an Batterien mit enormem Gewicht nötig für angemessene Reichweiten, das ist nicht praktikabel. Hier muss es andere Lösungen und eine Vielfalt an Antriebsarten geben. Sauber hergestellter Wasserstoff, z.B. als Abfallprodukt aus der Industrie, kann da eine Rolle spielen.“
Bezüglich der Praktikabilität und ökologischen Effizienz von Elektroautos ergänzt er noch:
„Derzeit gibt es etwa 600.000 E-Autos, da ist die Ladeinfrastruktur kein gravierendes Problem. Wenn aber künftig beispielsweise 20.000.000 E-Autos gleichzeitig laden wollen, ist das schon problematischer. Bis dahin müssen noch einige Probleme gelöst werden, z.B. bezüglich der Speicherung von Strom. Eine Tankstelle mit großem Tank unter der Erde ist quasi ein großer Energiespeicher. Bei den derzeitigen Ladesäulen funktioniert das leider nicht. Menschen mit Eigenheim, PV-Anlage und eigenem Speicher für das E-Auto sind da weniger das Problem, im städtischen Umfeld mit Mehrparteienhäusern sieht das schon anders aus.“
Joachim Berends ergänzt dazu: „Unsere Diesel-Züge sind bis 2036 geleast. Die Niederlande möchten für den grenzüberschreitenden Verkehr jedoch Wasserstoffbetrieb. Derzeit prüfen wir, ob ein Umbau unserer Züge dafür möglich ist. Im Bussektor setzen wir demnächst Fahrzeuge mit Rangeextender und Elektrobusse ein.“
Theresa Sperling verdeutlicht die Rolle der Politik in dem Gefüge:
Die Mobilitätswende kann einen maßgeblichen Beitrag zum schnellstmöglichen Ausstieg aus fossilen Energien leisten. Aufgabe der Politik ist es deshalb, einen klaren Rahmen für die soziale und ökologische Verkehrswende zu setzen. Für eine klimaschonende, individuelle und attraktive Mobilität brauchen wir Mobilitätsstationen, mit deren Hilfe Rad, Bus und Bahn unkompliziert kombiniert werden können. Umsteigezeiten müssen im Niedersachsentakt optimiert, ländliche Regionen im Stundentakt angebunden, zahlreiche Bahnstrecken reaktiviert werden. Um den öffentlichen Nahverkehr bezahlbar, schnell und verfügbar zu gestalten, müssen wir erheblich in seinen Ausbau investieren. Dies kann gelingen, indem wir klimafreundliche Projekte fördern, während wir umweltschädliche Projekte steuerlich stärker belasten. Der „Zukunftsfond Niedersachsen“ soll die Möglichkeit bieten, sich nach marktüblichen Konditionen still an nachhaltigen Unternehmen zu beteiligen und deren Gründung oder Transformation zu unterstützen. Außerdem hat der Bund höhere Regionalisierungsmittel in Aussicht gestellt, die von den Ländern aktiv abgerufen und sinnvoll eingesetzt werden müssen.“
Fachkundig und interessiert hat sich zudem das Publikum beteiligt. Die Frage, warum man nicht direkt mit dem Bus von Emlichheim nach Lingen fahren könne, beantwortet Berends: „Auch da muss die Politik in Vorleistung gehen. In diesem Falle müsste es eine Abstimmung zwischen beiden Landkreisen geben, was es schwieriger macht. Grundsätzlich wäre so eine Verbindung aber möglich, wenn man sich auf Landes- und Kreisebene dafür entscheidet, Mittel dafür bereit zu stellen und die Strecke auszuschreiben.“
Auch die Fragen nach mehr Stellplätzen für Fahrräder oder Expressbusse zwischen größeren Ortschaften wurde ähnlich beantwortet: Solche Zielvorgaben wie auch die notwendige Mittelausstattung müsse die Politik auf den Weg bringen.
Ein allgemeines Resümee des Abends: Die Politik muss die Leitplanken stellen. Damit die Verkehrswende gelingt, müssen mehr Mittel in Radwege und den ÖPNV fließen. Aber auch das Image von Verkehrsteilnehmer:innen muss sich ändern: Wer mit dem ÖPNV oder dem Rad fährt ist modern, offen, fortschrittlich und verdient hohes Ansehen. Die gemeinsame Zeit im Zug oder Bus ist als wertvoll für soziales Miteinander zu sehen.
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